Potenzial allein, hat keinen Wert

Besonders in romantischen Beziehungen neigen viele Menschen dazu, das Potenzial des anderen wecken zu wollen. Es ist häufig das Resultat aus den allerersten Begegnungen, die noch ganz ungezwungen und harmonisch verliefen.

 

Zu dieser Zeit geben die meisten Menschen nur eine bestimmte Seite von sich preis, in der Regel die beste. Die anderen Aspekte, die oft nicht so schön sind, bleiben vorerst im Verborgenen. Sieht man sich nun immer mehr und gewöhnt sich aneinander, gehen allmählich die Hemmungen verloren, auch diese unschönen Aspekte auszuleben.

 

Den anderen trifft es nun wie einen Schlag. Was ist passiert? Warum ist es nicht mehr so schön, wie ganz zu Anfang? Hat man etwas falsch gemacht? Oder ist das der Grund, warum der andere niemals eine Beziehung aufrechterhalten konnte?

 

Doch man hat das Potenzial gesehen. Ganz am Anfang, wo der andere noch zu fast 100% gut war. Jetzt sind es nur noch 50%. Die andere Hälfte der Zeit ist er vielleicht grummelig, streitsüchtig, cholerisch, desinteressiert, kalt, unehrlich, untreu oder depressiv.

 

„Bekomme ich ihn wieder hin? Schaffe ich es, ihn wieder auf 100% zu bringen?“

 

Manch einer gibt an, das Gute oder das Licht in dem anderen gesehen zu haben. Theoretisch ist er in der Lage, der perfekte Partner zu sein, wenn er doch nur mehr dieses Licht nutzen würde. Viele halten daran fest und verschwenden wertvolle Jahre ihres Lebens mit einem Menschen, der nie die Intention hatte, anders zu sein.

 

Jeder muss sich bewusst machen, dass auch die „schlechten“ Seiten des anderen ein Teil seines momentanen Ausdrucks sind. Es ist genauso ein Teil von ihm, wie das „Gute“. Man kann es sich nicht einfach wegwünschen und man sollte es auch nicht negieren. „Nein, das bist nicht wirklich du!“ Doch. Momentan ist er genau das.

 

Zudem hat jeder das Potenzial, der perfekte Partner zu sein, so wie jeder das Potenzial hat, täglich Sport zu machen, sich nur noch gesund zu ernähren und sich in seiner Freizeit weiterzubilden. Und? Auch wenn es eine Menge Vorteile mit sich bringt, machen es doch nur die wenigsten. Potenzial bedeutet nichts. Es braucht eine echte, willentliche Entscheidung.

 

 

Diese Entscheidung kann man bei dem anderen weder erbitten noch erzwingen. Egal wie nett, gutmütig und kooperativ man ist. Es wird sich nichts ändern. Hier darf auch jeder bei sich schauen, wie schwer es ist, bestimmte Verhaltensmuster abzulegen oder überhaupt erstmal bewusst wahrzunehmen, wenn man fast sein ganzes Leben so gelebt hat.

 

Bei jemandem zu bleiben, auch wenn er nur die Hälfte der Zeit guttut, während die andere Hälfte immer mehr zerstört, ist auch der Versuch, ihn zu ändern. Der Versuch, ihn an die eigenen Bedürfnisse anzupassen, damit er einem selbst guttut.

 

Wer aufmerksam ist, hat längst bemerkt, dass man andere nicht ändern kann. Je mehr man es versucht, desto stärker wird der Widerstand. Die Lösung liegt darin, sich selbst zu ändern und auf das eigene Potenzial zu schauen.

 

Nimm den anderen so an, wie er ist. Beobachte das, was er dir zeigt. Versuche nicht ihn zu ändern. Überlege dir nun, ob es das ist, was du dein Leben lang haben möchtest. Ist die Antwort nein, ist es Zeit zu gehen.

 

Nun schau dir deine Unsicherheiten und Traumata an. Was zieht dich zu solchen Menschen? Erinnern sie dich an deine Kindheit? Was versuchst du im Außen zu lösen? Was ignorierst du in deinem Inneren? Wo kannst du an dir arbeiten, um ein harmonisches Zusammensein zu fördern?

 

Es lag niemals bei dem anderen, sich zu ändern. Der Schlüssel war und ist immer in deiner Hand.

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