Einmal Selbstzweifel zum Mitnehmen, bitte!

Die 5-jährige Tochter läuft weinend zum Papa.

👧„Papa! Bert hat mich gehauen!“

🧔„Na aber. Ist doch nichts passiert. Guck mal, ist doch alles noch dran. Du brauchst nicht mehr weinen. Geh wieder zu den anderen und spiel einfach mit jemand anderes.“

 

Aus Sicht eines Erwachsenen ist die Situation vollkommen lapidar und wird gerne kleingeredet, um dem Kind, meist auf logische Weise verständlich zu machen, dass es nicht schlimm ist. In der Gefühlswelt des Kindes ist es jedoch absolut real und auch schlimm. Es ist zudem bei weitem nicht in der Lage, rational zu beurteilen oder zu verstehen.

 

Die genannte Reaktion wird von vielen Eltern als absolut legitim und normal angesehen, doch sorgt sie für erste Zweifel im Kind. Für gewöhnlich gibt es im Laufe der Kindheit noch viele ähnliche Begebenheiten, die den Zweifel immer weiter verstärken.

 

Anmerkung: Alle Eltern geben ihr Bestes und können nur nach ihrem derzeitigen Wissens- und Bewusstseinsstand handeln!

 

„Sind meine Gefühle falsch? Ist meine Wahrnehmung falsch? Sollte ich meine Gefühle nicht ausdrücken? Stimmt etwas nicht mit mir? Interessiert sich keiner wirklich für mich?“

 

Hier eine Alternative:

👧 „Papa! Bert hat mich gehauen!“

🧔 „Wirklich? Zeig mal her. Wo hat er dich denn gehauen?"

👧 „Hier am Arm.“

🧔 „Komm auf meinen Schoß. Soll ich mal pusten?“

👧 „Ja...“

🧔 „Schon wieder besser?“

👧 „Mhhh...“

🧔 „Willst du wieder zu den anderen gehen?“

👧 „Nein.“

🧔 „Dann bleib noch 5 Minuten sitzen. Was spielt ihr denn gerade?“

Usw...

 

Achte darauf, wie kein „Ist doch nicht schlimm.“ oder „Hab dich nicht so.“ verwendet wird. Die Realität des Kindes wird anerkannt und gewertschätzt. So fühlt es sich sicher und gehört. Seine Gefühle und vor allem es selbst haben Bedeutung.

 

Findet das Kind diesen sicheren Hafen nicht, weil in dem ersten Beispiel auch die Mutter ähnlich reagiert oder gerade nicht verfügbar ist, werden erste Schutz- und Überlebensmechanismen aufgebaut, die das wahre Selbst des Kindes unterdrücken.

 

Als erwachsene Frau könnte dieses Mädchen nun denken, dass ihre Gefühle und Bedürfnisse nicht relevant sind. Es fühlt sich an, als würde sie auf Glasscherben gehen. Sie gerät immer an Männer, die sie nicht verstehen und nicht so beachten und wertschätzen, wie sie es sich wünscht. Sie rekonstruiert unbewusst ihre Kindheitserfahrung. Das, was sie gewohnt ist. 

 

In manchen Fällen kann es soweit gehen, dass sie einen Mann, der sich doch kümmert, ablehnt. „Er verhält sich ungewohnt. Hier stimmt etwas nicht. Ich nehme lieber Abstand.“ Entgegen ihres Wunsches nach Fürsorge und Verständnis, weist sie solche Männer zurück, einfach weil sie es so nicht kennt und es ihr geradezu unangenehm ist. Auch wenn sie es will, glaubt sie tief in sich, dass das so nicht richtig sein kann bzw. dass sie es gar nicht wert ist.

 

 

„Aber dann hat ja jeder einen weg!“

 

Ja, auf seine Weise trägt jeder alte Wunden in sich. Es lässt sich nicht vermeiden. Doch was kannst du jetzt für dich tun?

 

Ein Muster zu erkennen, ist der wichtigste Schritt. Man erkennt, dass es nicht „normal“ ist, sondern eine Programmierung, die geändert werden kann. Nun kann man sich bewusst machen, dass es doch auch ganz anders geht und darauf hinarbeiten.

 

Beobachte täglich deine Muster. Du wirst immer mehr erkennen, wie viele deiner Verhaltensweisen an deine negativen Glaubenssätze geknüpft sind. Es kann sich anfühlen, als würde eine Welt zusammenbrechen. Doch nur, um hinter den engen, alten Mauern, endlich den Horizont zu erblicken.

 

Mach dir deine Gefühle, Bedürfnisse und deinen Wert bewusst. Sie waren nie falsch und unwichtig. Du warst nie falsch und unwichtig. Gib dich nicht mit weniger zufrieden. Insbesondere in einer Partnerschaft, wenn man mit jemandem sein Leben verbringen möchte, sind Kompromisse bei deinen tiefsten Bedürfnissen keine Option.

 

Stehst du für dich ein, findest du jemanden, der auf dieser Welle mitschwingt und genau das repräsentiert, was dir entspricht. Stellt man sich immer wieder zurück, finden man Menschen, die einen ebenfalls irgendwo abstellen und kaum beachten.

 

Es ist ein langer Weg, der ein Leben lang gegangen wird. Setz dich nicht unter Druck. Mach einen Schritt nach dem anderen und bleib deiner Innenwelt gegenüber aufmerksam.🍀🌞

 

 

 

Hinweis zur Kinderbegleitung:

Bei allen Kindern bis ca. 9 Jahre ist das Vorgehen gleich: Zuhören, anerkennen, nicht ändern oder lösen wollen. Das Kind entwickelt so das Bewusstsein, dass es wertvoll ist und seine Gefühle relevant sind.

 

Wenn Jungs beginnen Testosteron zu produzieren, was ihre Ratio stark in den Vordergrund rückt, gibt es einen Wandel:

 

„Du hast ein Problem? Ok, was können wir tun? Auf geht`s!“ So bewältigen Jungs am besten ihre Probleme und stärken ihr Selbstbewusstsein. Sie müssen auch mal reden, doch weit weniger als Frauen.

 

Bei Frauen bleibt es fast so, wie anfangs beschrieben: Zuhören, verstehen und würdigen. So wird ihr Selbstwert gesteigert. Frauen verarbeiten ihre Probleme zuerst durch Reden, bevor sie beruhigt handeln können.

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Kommentare: 1
  • #1

    Isabelle (Montag, 26 Juli 2021 08:25)

    Dankeschön. Ich lese immer deine Beiträge. � Als Erzieherin und als Frau stimme ich dir zu.